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Das Drahtlos-V2-Projekt

Teil 2, Anodenspannung

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Jetzt wird es ernst, die Anodenspannung muss erzeugt werden. Wie Drahtlos wollen wir eine direkte Gleichrichtung der Netzspannung verwenden. Allerdings sollen hier keine Röhrengleichrichter und auch kein Selengleichrichter verwendet werden, sondern eine einfache Siliziumdiode. Ist halt einfacher. Damit nicht gleich beim ersten Test alles in Rauch aufgeht, verzichten wir auf die Spannungsverdopplung. Statt 500-600 Volt sollte es erst mal mit ca. 300 Volt gehen.

Hier die Details aus dem Netzteil. Ein Widerstand von 20 Ohm sollte die Diode schützen. Im Fehlerfall würde weniger Strom fließen.

Das erste Einschalten war trotzdem eine echte Nervenbelastung. Was würde passieren? Würden vielleicht die Elkos platzen, die Diode explodieren oder der Schutzwiderstand eine Stichflamme absondern? Egal, da muss man durch. Leistift hockte mal wieder hinter dem Sofa, ich hielt mir die linke Hand schützend vor die Augen und steckte mit der rechten mutig den Stecker rein. Nicht passierte, alles bleib friedlich und still. Dann nahm ich ein Messgerät und kontrollierte die Spannung: rund 300 Volt an beiden Elkos. Super! Also Stecker raus, und mein Freund Leistift konnte sich wieder näher trauen. Er wollte mit seinem Finger die Temperatur am Elko fühlen, aber ich konnte ihn gerade noch zurückhalten. Ein Test mit dem Messgerät zeigte, dass die Spannung noch immer bei 300 Volt lag. Die Entladung mit einem Stück Draht zeigte erst, welche Energie in den Elkos gespeichert war. Der Blitz und der Knall ließen uns erstarren.

Leistift jammerte: "Denk an die drahtlosen Blitzversuche und lass uns die Sache beenden!" Wir mussten uns erst bei einer Tasse Tee erholen und beschlossen dann, einen Widerstand parallel zu den Elkos einzulöten, damit uns sowas nie wieder passieren konnte.

Als nächstes mussten die Röhren verdrahtet werden. Wie geht das eigentlich mit der Gittervorspannung? Die Zeichnungen von Drahtlos sind da irgendwie ungenau. Außerdem glaubten wir sogar einen Fehler in der Zeichnung entdeckt zu haben.

Im Internet fanden wir dann schließlich zwei Varianten. Entweder man besorgt sich eine negative Vorspannung über ein zweites Netzteil. Oder man verwendet einen Kathodenwiderstand. Die Spannung an der Kathode steigt dann, und das Gitter wird negativ gegenüber der Kathode. Diese Variante gefiel uns besser, weil sie einfacher ist. Als Kathodenwiderstände verwendeten wir solche mit 2,5 Kiloohm. Das ist zwar sehr viel, aber die Röhren arbeiten dann mit wenig Strom, sodass wenigstens nicht alles beim ersten Versuch in Rauch aufgeht. Die Widerstände am zweiten Gitter machten wir streng nach dem drahtlosen Vorbild für beide Röhren unterschiedlich. Die Werte waren aber eher zufällig, was eben so in der Schachtel war ...

Die beiden Endröhren waren nun vollständig angeschlossen, sodass wir einen Probelauf machen konnten. Ganz vorsichtig wurden alle Spannungen gemessen. Sie zeigen schon, dass beide Röhren unterschiedlich viel Strom bekommen, und zwar die kleinere PL36 etwas mehr als die größere PL504.

Nun fehlte nur noch die ECC81. Die originalen Pläne zeigen hier nichts genaues. Aber das Internet wies uns mal wieder den Weg. Wir mussten nur etwas rumprobieren, um den richtigen Kathodenwiderstand zu finden, aber jetzt klappt es.

Und dann kam der spannende Moment. Der Verstärker wurde zum ersten mal an einen CD-Player geklemmt. Wir verwendeten aber zur Vorsicht einen kleinen Trafo am Eingang, um das Gerät nicht zu gefährden. An die Ausgangstrafos kam ein großer Lautsprecher. Voller Herzklopfen schaltete ich ein.

Dieser erste echte Test überraschte uns total. Das hätten wir nicht erwatet: Ein absolut sauberer Klang, keine Verzerrungen, kein Brummen. Das konnte Leistift sogar hinter dem Sofa hören. Es ist einfach ein ganz normaler HiFi-Verstärker geworden. Die Lautstärke reicht voll aus, um ein Zimmer zu beschallen und die Nachbarn auf die Palme zu bringen. Nur für eine Konzerthalle würde es nicht reichen.

Wir hatten erwartet, den legendären Drahtlos-Verstärker mit der Kraft einer Dampflok und der ungezügelten Wildheit der 60er Jahre vor uns zu sehen. Aber das Ergebnis ist ein stinknormaler HiFi-Verstärker, den ich auch in das Wohnzimmer meiner Schwiegermutter stellen könnte, wenn man einmal von gewissen Mängeln an der elektrischen Sicherheit absieht. Mit einem Wort, ein Verstärker mit Schlips und Kragen. Da hätten wir uns ja die ganze Arbeit sparen können und gleich einen Verstärker von Bang und Olufsen nehmen können!

Was haben wir nur falsch gemacht?! Bitte helft uns!

Johannes

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