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(c) P.Copper, Drahtlos

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2.8 Katastrophe im Kraftwerk

Die erste Stelle fand Drahtlos im Nordschwarzwald in einem Sägewerk. Der dortige Betriebsingenieur war gerade pensioniert worden, so dass die Stelle für ihn frei wurde. Drahtlos stürzte sich in die Arbeit und begann mit Verbesserungen, die seiner Meinung nach schon lange überfällig waren. Die Neuerungen finden sich vollständig in seinen Notizen.

Das herausragende Werk seiner Arbeit dort war die sogenannte Ultraschnellsäge, mit der man das achtfache der normalen Geschwindigkeit erreichte. Das besondere Problem dabei war natürlich die Reibungswärme. Drahtlos hat dies nicht etwa übersehen, sondern durch eine ausgefeilte Kühltechnik berücksichtigt. Das fast glühende Sägeblatt wurde mit einem Wasserstrahl gekühlt, nachdem es aus dem Holz austrat. Das Holz wurde beim Sägen übrigens nicht verkohlt, wie man vielleicht annehmen könnte. Vielmehr wurde die überwiegende Energie durch eine besondere und patentierte Form der Sägezähne direkt an die Sägespäne abgegeben, die sehr heiß wurden. Sie wurden abgesaugt und gelangten in eine Kesselanlage, mit der ein großer Teil der Energie der Schnellsäge erzeugt wurde. Die ganze Anlage war daher äußerst rentabel, wie Drahtlos mehrfach berechnete und stolz vermerkte. Übrigens musste kein Arbeiter entlassen werden. Im Gegenteil, der Durchsatz steigerte sich derart, dass der Betriebsleiter daran dachte, weitere Arbeiter einzustellen, die ja den An- und Abtransport des Holzes übernehmen mussten.
Leider brannte das ganze Sägewerk bereits drei Wochen nach Inbetriebnahme der neuen Anlage bis auf die Grundmauern ab. Das Feuer brach nach Auskunft der Sachverständigen im Bereich der Ultraschnellsäge aus. Drahtlos bestritt dies nicht, ging jedoch davon aus, dass dort jemand geraucht haben muss. Die fehlende Problemanalyse, man könnte fast sagen die fehlende Selbstkritik, verwunderte mich nicht mehr.
Die nächste Stelle trat Drahtlos in einer großen Stadt am Rhein an, die ich hier aus verständlichen Gründen nicht nennen kann. Dort wurde in einem großen Kohlekraftwerk ein Sicherheitsingenieur gesucht, eine Aufgabe, die er sich auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen mit Fehlern aller Art zutraute. Er wurde auch sofort eingestellt.
Der Ingenieur brauchte vier Wochen, um alle Sicherheitslücken im Kraftwerk aufzuspüren. Es gab darunter allein vier Punkte, von denen er meinte, es wäre ein Wunder, dass sie nicht schon längst zum totalen Zusammenbruch des Kraftwerks geführt hätten. Insbesondere machte ihm die fehlende Automatik-Schnellabschaltung der Generatoren Sorgen. Es gab mindestens zwanzig Fehler-Szenarien, die dies unbedingt erforderten. Er machte sich deshalb an die Planung. Die Aufzeichnungen in den Kladden sind sehr verständlich und völlig logisch. Sie bestechen durch eine Einfachheit und Klarheit, die man sich in vielen Bereichen der Technik nur wünschen würde.
Eine ausgefeilte logische Zustandssteuerung wirkte auf einen großen Hochspannungsschalter, mit dem die Generatoren vom Netz genommen wurden. Auf der Seite der Turbinen gab es extrem schnelle Ventile, die den Dampf direkt in die Kühltürme umlenkten. Es gab genaue Berechnungen über zulässige Ventilverzögerungen. Alle nötigen Daten konnten problemlos eingehalten werden.
Beim ersten großen Testlauf der Anlage kam es zu einem unvorhergesehenen Fehler. Zwar wurde ganz korrekt der Generator vom Netz getrennt, die Turbine erhielt aber weiterhin Dampf. Der eigentliche Fehler lag an einem Kabel, das, wie Drahtlos in seinem Notizbuch vermerkte, "von irgendeinem dummen Monteur nicht richtig angeschlossen wurde". Jedenfalls führte der Fehler dazu, dass die Drehzahl von Turbine und Generator sich kontinuierlich steigerte. Jeder, der in einem Kraftwerk arbeitet, weiß, was das bedeutet. Alle Mitarbeiter des Kraftwerks und der Werksleiter suchten daher schleunigst das Weite und entfernten sich so schnell es ging in Axialrichtung des Generators. Allein Drahtlos stand noch im Leitstand und betrachtete konzentriert aber ratlos die Instrumente. Nur deshalb war es ihm später möglich, zu notieren, dass genau bei der 2,3-fachen Nenndrehzahl Generator und Turbine durch die übergroßen Fliehkräfte explodierten und die gesamte Turbinenhalle in Schutt legten. Ein großes Stück des Generators flog etwa einen Kilometer weit und versenkte auf dem Rhein ein Frachtschiff aus Rotterdam, das eigentlich nur Kohlen für das Kraftwerk anliefern wollte. Die Mannschaft konnte gut schwimmen und erreichte noch das rettende Ufer.
Es fällt auf, das Drahtlos sich nicht lange mit der genauen Analyse des Unfalls aufhielt. Statt dessen findet man in seinen Aufzeichnungen einen Spruch, der angesichts der Größe der Katastrophe nur als sarkastisch bezeichnet werden kann.

Manch schwieriger Fall
Endet mit Blitz und Knall.


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