„Gestern
Abend war ich drüben beim Bauernhof, da gab es so einen köstlichen
Geruch, der bis in den Wald hinein reichte. Ich also rüber und warte
bis der Hund schläft. Dann ganz leise und vorsichtig immer der Nase
nach. Die Sache kam aus der großen Mülltonne hinter dem Haus. Zuerst
kam ich nicht richtig daran hoch. Aber dann erst aufs Dach und von oben
auf die Tonne, Klappe auf, rein ins Vergnügen! Jede Menge Äpfel! Die
meisten hatten so braune Stellen und dahinter steckten dicke fette
Maden. Doppelt lecker! Ich versteh´ überhaupt nicht, warum die Menschen
das nicht selber essen. Ich hau mir so den Bauch voll, da seh’ ich auf
einmal einen ganzen Apfelkuchen! War mir erst gar nicht aufgefallen,
weil er ganz schwarz war, roch auch etwas streng. Aber nach genauer
Untersuchung kommt raus, man muss nur die untere und die obere Schicht
abnehmen, und was in der Mitte ist, schmeckt so köstlich, dass es dafür
überhaupt keine Beschreibung gibt!“
„Warum hast du uns nichts mitgebracht!“ riefen die Kinder.
„Wollte
ich ja, aber dann gab es ein Problem. Die Tonne war nicht sehr voll,
und die Wände innen ganz glatt. Ich komm also nicht mehr hoch. Auch
Springen hat nicht geholfen. Ich muss ne Menge Radau gemacht haben,
sogar der Hund fing schon an zu bellen. Dann hab ich mir gedacht,
erstmal richtig ausschlafen, verhungern kann man hier jedenfalls nicht.
Ich war sowieso schon richtig müde, mit dem vollen Bauch und so.
Herrlich hab ich geschlafen! Am nächsten Morgen geht auf einmal die
Klappe oben auf, und einer schmeißt ne Tüte Müll rein, haarscharf an
meinem Kopf vorbei, eine Unverschämtheit! Ich fauche kräftig los, um
mich zu beschweren. Da erscheint oben ein Gesicht, ein Menschenmädchen.
Auch wie süüüüß, ruft sie, was ich auch nicht gerade passend fand. Ich
zeig ihr die Zähne und die Krallen, damit jedenfalls schon mal klar
ist, wer von uns beiden gebissen und zerkratzt werden könnte. Aber sie
hatte überhaupt keine Angst und schaute ganz freundlich. Dann hat sie
ganz langsam die Tonne hingelegt. Ich konnte aussteigen und bin dann
erstmal ganz schnell zum Zaun gerannt, wegen dem Hund, man weiß ja nie.
Dann hab ich noch mal zurück geschaut. Das Mädchen stand da bei der
Mülltonne und hat mir gewunken. Ich hab natürlich zurück gewunken,
musste mich ja schließlich bedanken, für die Befreiung. Nur den
Apfelkuchen habe ich bei der ganzen Aufregung glatt vergessen. Wenn die
da wenigstens so ne Art Leiter in die Mülltonne eingebaut hätten, dann
würd’ ich glatt noch mal...“
„Geht nicht.“ meinte Vater. “Die
Tonnen sind innen ganz glatt, damit sie automatisch entleert werden
können. Hab ich letzte Woche gesehen. Da kommt so ein großer Lastwagen,
die Tonne wird drangehängt, und dann kippt er alles in seinen Bauch.
Das geht natürlich nur, wenn die Tonne innen ganz glatt ist. In dem
Wagen ist Platz für mindestens hundert Tonnen, der fährt dann von Haus
zu Haus und sammelt alles ein.“
„Hundert Mülltonnen auf einem
Haufen, das muss wie im Himmel sein!“ rief Onkel Linus. Aber Vater
hatte Bedenken. „Der Müll wird innen vollautomatisch zusammengepresst,
das wäre nichts für Waschbären. Und wo der Müll dann letzten Endes
hingebracht wird, weiß man ja auch nicht so genau. Also wenn überhaupt,
dann sollte man besser einzelne Tonnen besuchen. Aber einfach
reinspringen geht gar nicht. Die meisten unserer Verwandten sind dazu
übergegangen, die Tonne erst mal umzukippen. Und dann muss man noch
aufpassen, wer sonst noch alles da ist. Könnte ja auch ein Wildschwein
oder ein Hund in der Nähe sein. Traue keiner Tonne, die du nicht selber
umgekippt hast!“
Mutter war entrüstet! „Genau wegen solcher
Sachen mögen uns die Menschen nicht! Wie fändet ihr das denn, wenn bei
uns vor der Höhle einer solche Unordnung machen würde! Und wer macht
dann wieder alles sauber? Die Mutter natürlich! Genau wie gestern
wieder. Meine lieben Kinder spielen die ganze Nacht, und am Morgen
liegt wieder überall Kram herum, ein altes Vogelnest, ein ganzer Stapel
nutzlose Tannenzapfen, Federn und überall verstreute Nussschalen. Jeden
Morgen dasselbe! Wenn ich nicht immer wieder alles aufräume, kommt man
bald nicht mal mehr in die Höhle. Und außerdem, wenn jeder Förster und
jedes Wildschwein schon von weitem sehen kann wo wir wohnen, dann ist
es bald vorbei mit dem Waldfrieden. Dann können wir uns bald
einen neuen Platz suchen und Vater muss ein neues Heim graben.“
Max
verdrehte die Augen. Das war ein Dauerthema, immer ging es nur um
Ordnung und Sauberkeit. Er teilte sich ein Zimmer mit Paul, und da gab
es auch so ein paar Schätze, die in Mamas Augen nur lästiger Müll
waren. Da kommt natürlich so einiges zusammen, wenn man dauernd
unterwegs ist. Besonders interessant sind solche Sachen, die die
Menschen manchmal verlieren, wobei man als kleiner Waschbär auch mal
etwas nachhelfen kann.
(C) P.Kutsch und B. Kainka