Wie zur Bestätigung kam in
dem Moment ein etwa 13-järiges Mädchen mit dem Fahrrad an. Mir
fiel auf, dass ihr Rad eine völlig neue Art von Dynamo besaß.
Um die Nabe des Vorderrads waren Teile aus den Antriebsmotoren von Computer-Festplatten
gebaut. Es handelte sich offenbar um eine Vielpolmaschine mit 24 Spulen
und rotierenden Magneten. Ich schätzte, dass sie dafür etwa zehn
Festplatten gebraucht hatte. Durch die vielen Spulen kam sie wohl ohne
Getriebe aus. Das Fahrrad hatte außerdem ein kleines Radio, das auch
im Stand leise Musik von sich gab. "Läuft das mit einem Akku?",
fragte ich sie. Die zeigte mir eine Platine voller Goldcap-Kondensatoren,
die unter dem Sattel befestigt war. "Du hast ja sogar Schottky-Dioden
verwendet!", sagte ich voller Anerkennung. "Das ist man dem Wirkungsgrad
schon schuldig." meinte sie mit sichtbarem Erfinderstolz. Mir fiel
aber auf, dass die Kondenstoren nur bis 5,5 Volt zugelassen waren. "Bis
sieben Volt passiert gar nichts", erzählte sie. "Nur wenn
man mit über 40 Sachen einen Berg runterdüst und wenn dann auch
noch die Lampe durchbrennt, kann schon mal der eine oder andere Elko platzen.
Aber das ist egal, ich hab noch jede Menge davon. Der Schrott im Keller
macht das Reparieren schneller." Ich war tief beeindruckt, dass die
Ideen und Sprichworte Drahtlos´ nicht nur weitergegeben wurden, sondern
sich offensichtlich sogar weiter entwickelten. Außerdem interessierte
mich brennend, wie es aussieht, wenn ein Goldcap-Kondenstor explodiert.
Ich kannte zwar die stinkenden Dampfwolken platzender Aluminiumelkos und
die glühenden Funken berstender Tantalelkos, hatte aber mit diesem
Typ noch keine Erfahrung. Sie zeigte mir einige angeschmolzene Stellen
am hinteren Schutzblech und erläuterte, dass extrem heiße Graphit-Kügelchen
herausgeschleudert werden. Ob das nicht eine Gefahr für den nachfolgenden
Verkehr darstelle, wagte ich einzuwenden. Nur, wenn er zu dicht auffährt,
meinte sie, der Typ sei selber Schuld gewesen. Mir ging die Sache trotzdem
nicht aus dem Kopf, denn mich plagte noch eine weitere Sorge: Könnte
durch die Kondensatoren nicht ein Waldbrand entstehen? Einen Moment lang
sah sie mich erschrocken an. Dann sprang sie auf ihr Fahrrad und raste
davon. Etwa auf der Höhe meiner Pension gab es eine kleine Explosion,
und einige weißglühende Funken rollten über den Asphalt.
Dann war das Mädchen hinter der nächsten Biegung verschwunden.
Einen Moment später hörte man ein lautes Pfeifen und Zischen,
und mein Wagen neigte sich vorn links etwas nach unten. Die beiden Jungs
mit ihren Rollern hatten es wohl auch bemerkt, zeigten jedoch keine Regung
und arbeiteten still weiter an ihren Motoren. Auch ich wollte kein großes
Thema aus der Sache machen, zumal mich ein Schuldgefühl plagte, da
ich das Mädchen offenbar sehr erschreckt hatte, wenn auch ohne Absicht. |